Karteileichen in den deutschen Blogcharts?
Blogger mögen Zahlen und Vergleiche. Sie mögen es, sich morgens ihre Zugriffszahlen des Vortages anzusehen, sich in der Top-Blog-Liste von Blogscout mit anderen zu vergleichen und warten gebannt auf die allwöchentliche Aktualisierung der Deutschen Blogcharts.
Letztere werden von Popkulturjunkie Jens Schröder Woche für Woche anhand der bei Technorati gelisteten Verlinkungen erstellt. Bei der teilautomatisierten Erhebung der Zahlen - die händische Nachbearbeitung der Zahlen nötigt aufgrund des Aufwandes großen Respekt ab - werden nur die Blogs gezählt, die innerhalb der letzten sechs Monate auf ein bestimmtes Blog verwiesen haben. Veröffentlicht werden die ersten Hundert, auf der Beobachtungsliste von Jens Schröder stehen aber weitaus mehr deutschsprachige Blogs - ungefähr 750. Dass dabei auch mal ein Blog durch die Lappen gehen kann, ist keine Schande und auch erst ein mal passiert.
Problematisch ist meiner Meinung nach aber der lange Erfassungszeitraum von sechs Monaten. Dies dürfte bei einem langsam aufstrebenden Blog kein Problem darstellen, denn wer sich durch beständiges Bloggen auf hohem Niveau seinen Platz in den Charts ergattert hat, dem sei das auch zu gönnen. Schwierig wird es aber bei kurzweiligen Modeerscheinungen (Schlämmerblog oder Eisbär Knuts Blog) oder Eventblogs wie dem zur re:publica 07 - so sinnvoll so ein Blog auch ist.
Beispiel Knut-Blog: Es entsteht ein unglaublicher medialer Hype um einen kleinen Eisbären, ein berliner Lokalsender stellt daraufhin ein Blog ins Netz und binnen fünf Wochen ist dieses Blog von 510 anderen Blogs verlinkt. Das Ergebnis: Steiler Einstieg in die Blogcharts. Jetzt beginnt der Hype um Knut aber langsam abzuflauen, höchstens eine Handvoll Blogs verlinken das Knut-Blog jede Woche noch, irgendwann gar keiner mehr. Da das Interesse abgeflaut ist, wird auch das Blog nicht mehr aktualisiert und ist dann quasi eine Karteileiche. Negative Folgen für seine Position in den Blogcharts hat dies aber erstmal nicht, da die Verlinkungen ja erst vor drei Monaten erfolgt sind. Erst sechs Monate nach dem Hype beginnt der Stern des Knut-Blogs zu fallen - und zwar genauso schnell wie er aufgegangen ist. Binnen zwei, drei Wochen ist es aus den Charts verschwunden.
Was aber, wenn in der Zwischenzeit vier andere Hypes stattgefunden haben und weil Blogs ja so modern sind, sind auch diese Hype-Blogs steil in die Charts geflogen? Oder was passiert mit einem nur sehr mäßig interessanten, schlecht geschriebenen Privat-Blog, dessen Betreiber wegen einer dämlichen Abmahnung plötzlich Blogdorfer Stadtgespräch ist und den alle lieb haben und unterstützen wollen? Wegen des Inhalts wäre er sicherlich niemals in die Charts gekommen (und vielleicht auch gar nicht gewollt), aber durch die ganzen Unterstützungsaufrufe auf anderen Blogs hat er einfach viele Links bekommen und steigt deshalb in die Charts ein. Die Sache mit der Abmahnung ist nach drei Wochen erledigt und dann dümpelt er in den Charts vor sich hin.
Ich möchte hiermit keinesfalls Kritik an den Blogcharts als solchen üben. Ich bin froh, dass es sie gibt und ich bewundere und danke Jens Schröder für die Arbeit, die er dort Woche für Woche investiert (kann der eigentlich mal zwei Wochen in den Urlaub fahren?). Meine Kritik richtet sich einzig und allein gegen den langen Erfassungszeitraum von sechs Monaten. Sechs Monate sind im Internet Ewigkeiten. Was spricht gegen einen kürzeren Zeitraum von z.B. zwei Monaten? Die "normalen" Blogs, die sich durch gute Beiträge "hochgebloggt" haben wird man dort immer noch finden, auch werden Knuts Hype-Blog, das Schlämmer-Blog ebenso wie re:publica-Blog und Abmahnopfer dort auftauchen. Aber nur so lange, wie sie relevant sind.
Oder was meint ihr?
7 Kommentare:
Bei Technorati steht seit anderthalb Jahren für mich die exakt gleiche Anzahl an Seiten, die auf mich verweisen und ich habe angeblich auch seit x Monaten keinen neuen Text mehr veröffentlicht. Irgendwas spinnt da enorm, es ist mir im Weiteren aber auch nicht allzu wichtig. Hauptsache ist doch, Spaß an der Sache zu haben. Auch wenn ich Dir gern Recht gebe, was den Re-Publica (wusste bis gerade eben noch nicht einmal, was das ist/war)-Blog oder den von Knut betrifft.
Interessant wäre es, ältere Links weniger zu werten:
Link max. einen Monat alt: 6 Punkte
Link max. zwei Monate alt: 5 Punkte
Link max. sechs Monate alt: 1 Punkt
Dann würden Hypes zwar höher einsteigen, aber auch schneller fallen.
Gute Idee vom lim_dul. Sollte man vllt. mit Herrn Schröder drüber sprechen...
Ja, das wäre auch eine Möglichkeit. Ist hier zufällig jemand, der sich mit der Technorati-API auskennt?
Vergesst es. Wenn ihr mir ein ordentliches Monatsgehalt zahlt, setze ich Eure Idee gern um - denn das geht nur als Vollzeitjob. Es ist jetzt schon extrem viel Arbeit, überhaupt die in Frage kommenden Blogs zu finden, Probleme und Fehler in der Datenbank zu entdecken, etc, wenn dann die Links noch verschieden gewichtet werden sollen, dann könnt eich nichts mehr nebenbei tun.
Zudem möchte ich zu Bedenken geben, dass Ihr bei Eurer Idee sicher erst recht unzufrieden wärt. Zwar würden die "Hypes" schneller wieder verschwinden, aber auf den Plätzen 1 bis 3 der Charts wären wahrscheinlich ausschließlich solche kurzen Hypes. Und das ist nicht das, was ich mit den blogcharts will. Ich will darstellen, welche Blogs tatsächlich die populärsten sind. Die 6 Monate finde ich daher als Kompromiss zwischen Beständigkeit der Charts und Aktualität recht gut.
Noch was: Das Knut-Blog ist kein gutes Beispiel für die kurzfristrigen Hypes. Es hat in den vergangenen 6 Tagen schon wieder 54 Verlinkungen hinzugewonnen. Etwa 6 Wochen nach dem ersten Hype. Scheint also durchaus ein etwas längerfristiges Phänomen zu werden.
Danke für deine Antwort, Jens.
Schade, ich hatte gehofft, dass es mit wenig Aufwand möglich wäre, daran etwas zu drehen, z.B. die Zahlen von Technorati mittels Skript so auszusieben, dass nur die Links der letzten 60 Tage gezählt werden. Aber dafür kenne ich mich zu wenig damit aus, was man von Technorati ausgespuckt bekommt.
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