Rotwein-Tsunami an der Kirschküste
Zitternd tippte er die URL in seine Cherry-Tastatur. Was hat dieser unverschämte Neu-Blogger jetzt schon wieder für Ungeheuerlichkeiten erlaubt - noch dazu mit einer Arroganz die einem Blog-N00b in keinster Weise zusteht. Er musste sich seine Lorbeeren ja schließlich auch verdienen, musste sich in nächtelanger Zeichenarbeit Gags und Lustigkeiten ausdenken, sogar seine Freundin war es irgendwann leid und hatte sich nach Australien abgesetzt. Aber er hatte es geschafft. Er war Alpha-Blogger. Aber nicht irgendein Alpha - er war DER Alpha-Blogger unter den Weblog-Illustratoren, alle schauten zu ihm auf und zollten ihm Respekt. Bis auf diesen Neu-Blogger.
Er grummelte und nahm einen Schluck aus dem Rotweinglas neben ihm - das vierte heute. In seiner Angespanntheit hatte er die Buchstaben vertauscht und "schintzel" anstelle von "schnitzel" eingegeben. Warum sollte er sich das überhaupt ansehen? "Der kann mir doch egal sein". dachte er sich, jedoch ohne die laufende Korrektur seines Buchstabentauschers zu beenden. Als er es zu Ende getippt hatte, hielt er kurz inne. Der Cursor blinkt unbeeindruckt in der Adresszeile des Browsers. schnitzelmitpommes.blogspot.com.
Er drückte die Enter-Taste. Gottseidank wohnte er in der Platte und nicht in so einem Schickimicki Neubaugebiet mit Glasfaserleitungen, so dass der Seitenaufbau dank DSL zügig vonstatten ging. Er griff nach dem Rotweinglas und nahm einen kräftigen Schluck. Langsam spürte er den leicht nebligen Schleier, der sich über seine Gedanken legte. Die Seite war mittlerweile schon aufgebaut und er erstarrte in dem Moment, als seine Augen die Titelzeile des neuesten Eintrags erblickten Vom Alphablogger zum Bordstein zurück stand da. Er las den Eintrag und wurde immer bleicher im Gesicht. Er nahm noch einen Schluck aus dem Rotweinglas und stellte es neben der Tastatur ab. Als sich der Inhalt des Glases plötzlich schwallartig über die Tastatur ergoss stellte er fest, dass sich die Vertikalachse des Glases nach dem Vorgang des Hinstellens nicht im rechten Winkel zur Tischplatte befunden haben kann. So wie die Sache aussah, hatte er das Glas zur Hälfte auf sein Mauspad gestellt und somit in eine gefährliche Schieflage gebracht.
An Surfen war auf jeden Fall nicht mehr zu denken. "Schnitzel, das büßt du mir", sagte er drohend, während er aus der Kochnische die Küchenrolle holte um die entstandene Schweinerei zu beseitigen.
Als er nach einer dreiviertel Stunde Tastaturputzen resigniert ein anderes, schon deutlich angegilbtes Eingabegerät angeschlossen hatte, tippte er noch einen Kommentar unter einen Beitrag auf die noch immer geöffnete schnitzelmitpommes-Seite und schaltete den Rechner anschließend aus. Als er das Licht im Wohnzimmer löschte und mit vom Rotwein leicht schwankendem Gang ins Badezimmer ging, murmelte er noch einmal: "Das büßt du mir!"
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